An der GCLS wird Mehrsprachigkeit als Gewinn und Ressource betrachtet. Der überwiegende Teil der Schülerschaft beherrscht eine weitere Sprache. Der Deutschunterricht versteht sich daher als Sprachunterricht und fördert somit umfassend sprachliche Kompetenzen. Dabei wird ausgehend vom Deutschen auch ein Bezug zu anderen Sprachen hergestellt, sodass die Erst- oder Familiensprache vieler Kinder eine Wertschätzung erhält.
Sprachförderung findet auch in anderen Fächern statt, da Lernen nur über Sprache funktioniert. Da die Beherrschung der deutschen Sprache der Schlüssel zum schulischen und später auch beruflichen Erfolg ist, erhalten Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, eine besondere Förderung. Der Förderbedarf ergibt sich aus dem Umstand, dass die Erst- bzw. Familiensprache bei den Schülern oft deutlich besser ausgeprägt ist und sie hier über komplexere Sprachstrukturen verfügen. Dies liegt daran, dass der Kontakt, den sie mit der Familiensprache haben, deutlich höher und auch intensiver ist, als der Kontakt mit dem Deutschen. Der Sprachinput der deutschen Sprache ist demnach oft zu gering, um komplexe Strukturen aufzubauen.
Um die Entwicklung der Erst- bzw. Familiensprache gleichzeitig zu unterstützen, können die Schüler/-innen am Herkunftssprachenunterricht teilnehmen. Je nach Sprache wird dieser Unterricht an verschiedenen Standpunkten in der Region erteilt.
Schüler/-innen, die sich erst kurzfristig in Deutschland befinden (Seiteneinsteiger) und daher über geringe Deutschkenntnisse verfügen, sind in der Regel bis zu zwei Jahren Mitglied der Intensivklasse. Hier treffen sie auf andere Schüler/-innen mit geringen Deutschkenntnissen und erhalten täglich Unterricht, der darauf ausgerichtet ist, den Lernenden sprachliche Kenntnisse zu vermitteln, die sie befähigen, am Regelunterricht teilzunehmen.
DaZ-Unterricht im Rahmen des Sprachförderkonzepts
Wie ist die Ausgangslage an der GCLS?
An der Georg-Christoph-Lichtenbergschule befinden sich viele Schüler/-innen mit Migrationshintergrund (z.T. in der 3. Generation). Die Lernenden weisen in der Regel eine solide Grundkompetenz in den Fertigkeiten Sprechen und Hören auf.
Dies betrifft vor allem die Alltagssprache. Hier unterscheiden sich Kinder mit einem DaZ-Förderbedarf auf den ersten Blick nicht von ihren Mitschülern/-innen. Im Deutschunterricht wird jedoch der Förderbedarf schnell ersichtlich, wenn genaues Beschreiben und exaktes Formulieren gefordert werden. Hier wird schnell deutlich, dass Kindern, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, oft komplexe Sprachstrukturen fehlen und sie Anforderungen daher schlecht oder oft gar nicht bewältigen können. Der Grund für fehlende Sprachstrukturen ist der fehlende (bildungssprachliche) Input, da zuhause oft eine andere Sprache, bzw. nur unzureichend Deutsch in Qualität und Quantität, gesprochen wird.
Der Förderbedarf wird vor allem in der Schriftsprache ersichtlich. Diese bleibt oft deutlich hinter der mündlichen Sprachentwicklung zurück.
Schülern/-innen mit Migrationshintergrund gelingt es, einfache Texte in Klasse 5 zu lesen und Informationen daraus zu entnehmen. Sobald die Komplexität der Satzgefüge, Fachbegriffe und Textsorten zunimmt, die von gleichaltrigen deutschen Schülern/-innen verstanden werden können, bewältigen Schüler/-innen mit sprachlichem Förderbedarf diese oft nicht mehr. Die Übertragung auf die Schriftsprache misslingt. Das bedeutet, dass Fragen, die an einen Text gestellt werden, von den Lernenden nicht beantwortet werden können. Auch dies wird ab Klasse 7 vermehrt sichtbar, da hier die Komplexität der Texte entsprechend dem steigenden Alter zunimmt. Einen deutlichen Nachteil erfahren nun sprachschwache Kinder mit Migrationshintergrund, die in Klasse 5 und 6 keine Förderung erhalten haben, um komplexere Sprachstrukturen aufzubauen. Denn nun begegnen sie zunehmend komplexen Texten, die außerdem noch einen für sie fremden Sprachduktus aufweisen (z.B. das Passiv in Protokollen).
Welche Schülergruppen möchten wir fördern?
Es ist sinnvoll, die Förderung so früh und so intensiv wie möglich einsetzen zu lassen. Wurde die Entwicklung komplexerer Sprachstrukturen gefördert, werden die Schüler/-innen in den höheren Klassen deutlich besser in der Lage sein, auch selbständig die Anforderungen zu bewältigen. Eine Förderung erst in einer höheren Jahrgangsstufe anzusetzen, wäre zu spät. Den Schülern/-innen würde die Zeit fehlen, diese Strukturen zu erwerben und mit ihnen sicher und sprachlich produktiv sowie variationsreich umzugehen.
Hinzu kommt, dass aus entwicklungspsychologischer Sicht in Klasse 5 und 6 größtenteils eine große intrinsische Motivation besteht. Die Schüler/-innen lernen in der Regel mit Freude und Spaß sowie explorativ, was dazu beiträgt, dass die Zweitsprache bei einer Förderung positiv konnotiert wird. Die DaZ-Förderung setzt daher ab dem 2. Halbjahr der Klasse 5 ein.
Welchen Umfang beinhaltet die Förderung?
Die Förderung erfolgt nach dem Konzept der „Sprachbades“ (immersives Konzept). Dabei steht im Zentrum, dass die Schüler/-innen so viel wie möglich mit dem Deutschen konfrontiert werden und der Sprache auch in unterschiedlichen Kontexten begegnen. Die Forschung hat erwiesen, dass ausschließlich trockener Grammatikunterricht nicht zum Erfolg führt. Jedem Menschen ist das Sprachenlernen angeboren. Das bedeutet, dass der Lerner sich aus dem angebotenen Sprachinput sprachliche Strukturen entnimmt und sukzessive in sein bestehendes mentales Modell einbaut. Dies kann jedoch nur geschehen, wenn genügend Input vorhanden ist.
Wie lässt sich der Förderbedarf ermitteln?
Im Verlauf des 1. Halbjahres der 5. Klasse diagnostiziert das Klassenteam, bei welchen Schülerinnen und Schülern Förderbedarf besteht. Anschließend erfolgen Absprachen zwischen den Klassenlehrer/-innen, den betreffenden Stufenleiter-/innen und den DaZ-Lehrerinnen. Die Schüler/-innen werden dann, abhängig von ihrem Alter, einem der beiden Kurse zugeteilt.
Auch bei der Mitteilung über das Zusatzangebot wird darauf geachtet, dass bei den Lernenden nicht der Eindruck entsteht, ihre Leistungen in Deutsch seien schlecht oder sie seien des Deutschen nicht mächtig. Dies könnte zu einer Ablehnung der Förderung führen und zu einer negativen Konnotation der deutschen Sprache. Den Schülern/-innen soll vermittelt werden, dass sie aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit die Gelegenheit erhalten, sich noch intensiver mit Sprache zu beschäftigen, um ihre Stärken auszubauen. So bleibt das Angebot attraktiv und die Lernenden motiviert.
Wie sollte der Unterricht organisiert und in den Schulalltag integriert sein?
Der Unterricht ist fester Bestandteil des Schulalltags. Die Schüler/-innen mit Förderbedarf nehmen weiterhin in vollem Umfang am Regelunterricht teil. Die Stunden laufen parallel zu den LRS-Kursen. Den Unterricht halten Lehrerinnen, die eine DaZ-Ausbildung haben, selbst mehrsprachig sind und Interesse für Sprache zeigen, denn nur so kann die Lehrperson hier die Vorbildfunktion für Schüler/-innen einnehmen.
Um die Verbindlichkeit des Unterrichts für die Lernenden zu erhöhen, erhalten diese am Ende jeden Halbjahres einen Vermerk, der auf dem Zeugnis im Bereich des Wahlpflichtunterrichtes erscheint.
Welche Inhalte werden vermittelt? Welche Kompetenzen werden gefördert?
Die Schüler/-innen sollen in erster Linie Freude im Umgang mit der deutschen Sprache verspüren, denn nur so werden sie auch in Zukunft bereit sein, sich mit dieser intensiv auseinanderzusetzen. Daher ist der Unterricht methodisch vielfältig konzipiert und basiert auf dem Prinzip der Handlungs- und Produktionsorientierung sowie dem Prinzip des entdeckenden Lernens. Dies bedeutet, dass die Schüler/-innen im Unterricht selbst stetig aktiv sind.
Mit speziellen DaZ-Fördermaterialien werden sie angeregt, sich mit der deutschen Sprache zu beschäftigen. Bei der Wortschatzarbeit begegnen sie neuen Wörtern somit in unterschiedlichen Kontexten und in unterschiedlicher Verwendung. Dabei spielt die Sinneserfahrung eine große Rolle. Je mehr Sinne die Lernenden im Kontakt mit neuen Wörtern benutzen können, desto nachhaltiger können diese Wörter in das bestehende mentale Lexikon eingebettet werden.
Des Weiteren wird diagnostiziert, auf welchem Stand sich die Schüler/-innen in den verschiedenen Kompetenzbereichen befinden. So wird z.B. analysiert, auf welcher Erwerbsstufe sich die Lerner hinsichtlich der Satzbauarten (Syntax) befinden. Ausgehend davon werden z.B. Texte ausgewählt, die die Lerner fordern, jedoch nicht überfordern.
Ein wichtiger Bestandteil ist die Reflexion über Sprache, die im Unterricht verbalisiert wird. Erst durch die Verbalisierung gelernter Inhalte, werden diese nachhaltig im Gehirn verankert. Daher ist die Gruppengröße so gewählt, dass jeder Schüler/-innen ausreichend Gelegenheit erhält, sich verbal im Unterricht zu äußern. Es bleibt somit viel Raum für sprachlichen Output sowie Interaktion. Zur Reflexion über Sprache wird angeregt, indem die Lernenden z.B. ein Sprachtagebuch führen, in dem sie ihre Fortschritte oder Erkenntnisse notieren und somit reflektieren.
Das durchgängige Unterrichtsprinzip ist dabei das integrative. Erstellen die Schüler/-innen z.B. ein Plakat im Unterricht, welches weitere Sprachen, die der Schüler/-in beherrscht, vorstellt, werden dabei verschieden Ziele miteinander verbunden. Der Lernende erstellt ein Produkt, er ist also aktiv. Dieses Produkt stellt er seinen Mitschülern/-in vor und äußert dabei das, was er zuvor über diese Sprache reflektiert hat. Er erfährt dabei, dass beide Sprachen, die er spricht, gleich wichtig und von Bedeutung sind. Er spricht somit in der einen Sprache über die andere und kann dabei neu erworbene Wörter und Satzbauarten der deutschen Sprache verwenden. Dies ist dann z.B. später beim Beschreiben von sprachlichen Mitteln im Bereich der Gedichtanalyse von Vorteil, da Schüler/-innen bereits viel umfassender über Sprache nachgedacht haben, als im monolingualen Unterricht. Im DaZ-Unterricht werden außerdem die Lese- und Schreibkompetenzen der Lernenden gefördert: durch prozessorientiertes Lese- und Schreibtraining sollen die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, im Regelunterricht auch komplexe Schreib- und Leseaufgaben zu bewältigen.
Wie oben bereits beschrieben, wird die Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler als wertvolle Ressource verstanden. Da ihre individuellen Sprachenkenntnisse gewürdigt werden, sind die Lernenden motiviert, sich weiterhin mit Sprache auseinanderzusetzen.
Der Intensivklassenunterricht im Rahmen des Sprachförderkonzepts
Wer besucht die Intensivklasse an der GCLS?
Zurzeit findet in 20 bis 22 Wochenstunden ein Intensivkurs Deutsch unter der Leitung von Frau Marinho (Fachkraft für DaZ) für bis zu 17 Schüler/-innen im Alter von 10 bis 17 Jahren statt. Die Intensivklasse besteht aus Schüler/-innen mit Migrationshintergrund, die sich erst seit Kurzem in Deutschland befinden und die über keine oder sehr geringe Deutsch-Kenntnisse verfügen. Für diese Schüler/-innen besteht in der Regel für zwei Jahre Notenschutz.
Was sind die Ziele des Unterrichts in der Intensivklasse?
Ziel des Unterrichts ist es, die Lernenden sprachlich für alltägliche Gesprächssituationen (Alltagsvokabular) und den Regelunterricht zu befähigen. Es werden in einer kommunikationsorientierten Vorgehensweise Sprechsituationen geschaffen, die dem Erfahrungsfeld der Schüler/-innen entstammen oder nahe liegen. Dazu finden einleitend Wortschatzarbeit und erste Grammatikübungen statt, die es später erlauben, Fragen zu stellen, Antworten zu geben oder Aussagen zu machen und dabei die grammatischen Zeiten zu beachten. Während zu Beginn das Kennenlernen der lokalen Gegebenheiten und Besonderheiten sowie landeskundliche Themen (Erdkunde) im Vordergrund stehen, finden im weiteren Verlauf auch Einheiten in den Fächern Physik, Biologie und Mathematik (Grundrechenarten) statt.
Es wird im ersten Jahr einen Wortschatz von ca. 2500 Wörtern angestrebt. Damit die Schüler-innen der Intensivklasse Kontakt zu weiteren Mitschülern/-in aufbauen können, nehmen sie je nach Sprachniveau möglichst bald auch am Regelunterricht teil. Mögliche Einstiegsfächer sind z.B. der Sport- und Englischunterricht.
Welche Förderung erhalten Schüler/-innen nach dem Verlassen der Intensivklasse?
Nach der Eingliederung in den Regelunterricht, der in den meisten Fällen nach 2 Jahren erfolgt, nehmen die Schüler/-innen einmal wöchentlich an einem von zwei nach Alter unterteilten DaZ-Kursen teil, um ihre Deutschkenntnisse sukzessive zu erweitern. Hier liegt der Schwerpunkt auf einer möglichst facettenreichen Begegnung mit der deutschen Sprache in unterschiedlichen Kontexten. Auch können Schülerinnen und Schüler, bei denen deren Klassenlehrerinnen und -lehrer sprachlichen Förderbedarf feststellen, an einem der beiden parallel stattfindenden Kurse teilnehmen.
Das Sprachförderkonzept in der Übersicht
Bezeichnung der Fördermaßnahme | Baustein I: Intensivklasse | Baustein II: DaZ-Kurs |
Gruppengröße | Bis zu 17 Schüler/-innen | Bis zu 20 Schülerinnen und Schüler pro Gruppe |
Stundenumfang | Täglicher Unterricht | 2 Stunden pro Woche |
Lehrkräfte | Aktuell Fr. Marinho und Fr. Kimmerle | Aktuell Fr. Marinho und Fr. Kimmerle |
Verankerung im Stundenplan | Täglich, Besuch der Intensivklasse wird individuell an Besuch der Regelunterrichts angepasst | Parallel zu den LRS-Kursen |
Feststellung des Förderbedarfs | Aufnahme durch DaZ-Beauftragte | Klassenteams |
Übergeordnetes Förderziel | Befähigung der Lernenden für alltägliche Gesprächssituationen (Alltagssprache) und den Regelunterricht | Förderung sprachlich komplexer Strukturen der mündlichen und schriftlichen Sprachkompetenzen, Wortschatzerweiterung |
Unterrichtsprinzipien | Kommunikativ, Handlungs- und produktionsorientiert, entdeckendes Lernen, reflexives Lernen, integratives Prinzip | Handlungs- und produktionsorientiert, entdeckendes Lernen, reflexives Lernen, integratives Prinzip |
Materialien | „geni@l klick“ (Klett Verlag), DaZ-Materialien | DaZ-Materialien |
Vernetzung mit dem Regelunterricht | Zusammenarbeit mit Klassenteam, Fachlehrer/-innen, Schüler/-innen als Mentor/-innen | Arbeitsaufträge aus dem Regelunterricht, Absprache mit den Klassenlehrerinnen und -lehrern. |
Stand: September 2020, letzte Aktualisierung von Bianca Marinho und Lea L. Kimmerle