
6. Lichtenbergsalon im Lichthof der Georg- Christoph-Lichtenberg-Schule
- Categories KulturSchule
- Date 19.04.2018
„Fußballprofi werden … Traum und Wirklichkeit“
Die Fachschaft Sport und die Kulturschulgruppe der Georg-Christoph-Lichtenberg-Schule haben für den 19.04.2018 zum sechsten Lichtenbergsalon eingeladen, der sich mit Träumen und Wirklichkeiten im Leistungssport Fußball auseinandersetzt.
Der bekannte Moderator des Hessischen Rundfunks, Markus Philipp, leitete 120 Gäste, Eltern, Schüler*innen und Lehrer*innen durch den Abend, nachdem er einen Abend zuvor noch in Gelsenkirchen die Profis und Niko Kovac nach dem Pokalspiel interviewte. Die Gäste lernten den erfolgreichen Nachwuchsspieler Silas Zehnder kennen, der einen Profivertrag bei Darmstadt 98 hat und zumindest eine Minute als Bundesligaspieler auf dem Platz im letzten Spiel der Lilien in der ersten Bundesliga stand.
Björn Kopper begann mit einem Vortrag über das Nachwuchsleistungszentrums. Dabei zeigte sich, wie verwoben seine berufliche Profession mit dem Darmstadt 98 ist und wie sehr das „Wunder von Bielefeld“ den Verein noch heute prägt. Aktuell seien 12 hauptamtliche Mitarbeiter im NLZ tätig, vor allem Trainer und zwei Physiotherapeuten. Seit zwei Jahren verfügt das NLZ auch über neue Räumlichkeiten, eine Entwicklung, die erst durch den Aufstieg in die erste Bundesliga möglich wurde. Im Training würden Spielformen deutlich überwiegen. Schnittstellenspiele der verschiedenen Altersstufen förderten den Teamgeist. Die Anzahl der Trainingseinheiten steigt von dreimal (U 10) auf siebenmal in der Woche (U 19). Spezialtrainingseinheiten werden zusätzlich um die Mannschaftstrainingszeiten herumgebaut, wie Toptalente-Training oder Athletiktrainings.
Herr Kopper führte aus, dass Feedbackgespräche zeigten, dass dem NLZ die Entwicklung der einzelnen Spieler wichtig sei. Belastungssteuerung gelänge dem NLZ über Überwachung sämtlicher Daten und einem Abgleich von Stundenplänen und Wochentrainingsplänen.
Nach dem Vortrag moderierte Philipp ein erstes Gespräch über Fragen zur Regeneration und Ernährungsplänen und die Zusammenarbeit mit den Eltern.
Das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) gäbe so Ernährungstipps, aber die Jungs dürften auch weniger „leistungssportaffines“ Essen zu sich nehmen, die meisten Nachwuchsspieler lebten ja zuhause und nicht in einem Internat. Silas ergänzt, dass er freiwillig auf Schokolade verzichte und selbst auf gesunde Ernährung achte. Im Unterschied zu Silas Zeiten habe Uwe Kuhl vor 30 Jahren nach seiner Zeit in der B- Jugend bei Roßdorf viermal die Woche nur abends in der U 19 Darmstadts trainiert. Heute sei es überhaupt nicht mehr möglich, so zu einem erfolgreichen Profisportler zu werden wie noch vor 30 Jahren.
Auf die Frage nach der Unterstützung der Eltern stellt Herr Kopper dar, dass schon in der U 13 ein Spieler aus Gießen sei. Die Eltern müssten die jungen Spieler bringen. Der Einzugsbereich umfasse circa 100 km. Weitere Kosten entstünden zwar kaum, schon früh würde die Ausstattung gestellt. Silas berichtet, dass seine Eltern und Großeltern ihn immer gefahren hätten. Es gäbe zusätzlich zehn Internatsplätze seit Sommer 2017 ab der Altersklasse U 15 für Spieler, die große Entfernungen zu überwinden hätten wie zum Beispiel aus Schwerin oder deren Eltern sie nicht regelmäßig zum Training fahren können. Talente würden gezielt vom Verein gesichtet Die Konkurrenz zu Eintracht Frankfurt sei groß. Auf die Frage hin, ob man denn im Verein bleiben könne, musste Uwe Kuhl verneinen, es gäbe nur noch jeweils eine Mannschaft in jedem Alter, so dass dann Spieler die Mannschaft verlassen müssen, wenn die Leistungen nicht stimmten.
Nachdem die Gäste sich durch die Leckereien des großartigen Büfetts der Schülerfirma inclusive Fußballkuchen (mit Smartiesfüllung) gestärkt und weitere Fragen in informellen Gesprächen deutlich wurden, gingen wir in den zweiten und intensiven Austausch mit unseren Gästen über den Leistungssport und was wohl aus den Träumen der vielen hoffungsvollen jungen Spieler wird oder was man bereit sein muss, zu leisten, um seinen Träumen im Sport näher zu kommen. Silas berichtet zunächst, dass er nach seiner Jugendzeit in Stockstadt und Erfelden nicht schon bei den ersten Nachfragen des NLZ nachgegeben habe. Die U 15 sei für ihn der richtige Zeitpunkt gewesen, den Belastungen, glaubt er, habe er früher nicht standhalten können. Herr Kopper führt aus, dass etwa 10-15 Anfragen pro Tag im NLZ ankämen. Der Elternkodex des NLZ sehe aber vor, den Eltern sehr deutlich zu machen, wenn ihr Kind zu leisten imstande sei und keine falschen Versprechungen zu machen.
Auf die Fragen nach Mädchen- und Frauenfußball im NLZ muss Herr Kopper verneinen, die Kapazitätsgrenzen wären absolut erreicht. Leistungszentren würden sich „logischerweise nur auf Jungen fokussieren“, weil die DFL nur für die ersten beiden Mannschaften der Bundesliga ausbildete und das seien eben Männermannschaften, eine für viele Anwesende überraschende Information.
Aus dem Publikum macht ein Schüler kritisch darauf aufmerksam, dass die Chance Fußballprofi zu werden ja sehr gering sei, deshalb sei es doch umso wichtiger, dass die Schule mehr im Fokus stünde und das Gespräch auch über Alternativen wie Schule und Ausbildung mit den Jungens, die ja ein großes Vertrauen in ihre Trainer hätten. Diese würden doch da eine große Verantwortung tragen. Silas bestätigt, dass ein Schulabschluss wichtiger sei, essentiell, weil nur sehr wenige später vom Fußball leben könnten. Einen Tag frei zu kriegen, wenn Prüfungen anstünden, sei immer „dringewesen“. Ein NLZ sei im Grunde eine duale Ausbildung, behauptet Kopper, wahrscheinlich reicht es aber nicht, Räume für Hausaufgaben zur Verfügung zu stellen. Uwe Kuhl betont die moralische Verantwortung des Vereins und des NLZs und die Notwendigkeit, sich ein zweites berufliches Standbein aufzubauen. Die Gefahr des Träumens von phänomenalen Gehältern mache ein ehrliches Gespräch mit den jungen Menschen notwendig. Das NLZ besitzt einen pädagogischen Leiter, der sich zum Beispiel auch um die wenigen Jungs kümmert, die noch keinen Schulabschluss hätten oder Schwierigkeiten in der Schule hätten. Auch das Thema Doping im Leistungssport interessiert die Schülerinnen und Schüler der GCLS: Für Jugendspieler spiele Doping keine große Rolle, auch wenn es wenige Kontrollen gäbe, so Silas Zehnder. Das NLZ kläre sowohl über die gesundheitlichen als auch über die rechtlichen Konsequenzen auf. Im Profibereich würden regelmäßig Dopingproben genommen.
Auf die Frage nach dem Konkurrenzkampf der Vereine auf der Suche nach dem neuen Messi und dem Zweifel, ob es denn eigentlich noch Sinn mache, als Darmstadt 98 Nachwuchsspieler auszubilden, die dann bei guten Angeboten zu anderen Vereinen wechselten, erläutert Kopper, dass Prognosen sehr schwierig seien und Spieler, die gehen wollten, man eben ziehen ließe. Verschiedene Regelungen schützten die Vereine z.B. über Ausbildungserstattungen, wenn erste Profiverträge in anderen Vereinen abgeschlossen würden. Auch spätere Ablösesummen rechneten sich für die NLZs wieder. Hochzufrieden für die Lilien sei es, wenn pro Jahr ein Spieler in den ersten Kader aufsteigen könnten. Silas sei zum Beispiel in der U 15 Nationalmannschaft eingesetzt gewesen und dennoch bei den Lilien geblieben. Silas Zehnder erzählte, dass er seit Oktober krankgeschrieben und gerade operiert worden sei. Der Profivertrag schütze ihn zwar dreieinhalb Jahre, die Verletzung übe aber dennoch einen großen Druck auf ihn aus. Für ihn stünde im Vordergrund fit zu werden. Aber auch er hat einen Plan B. Silas denkt über ein Fernstudium (Lehramt) nach. Auf die Frage nach der Höhe seines Gehalts weist der Moderator auf die Verschwiegenheitsklausel in solchen Verträgen hin. Silas berichtet auf Nachfrage eines Schülers, dass er auf einen Berater bewusst verzichtet habe, obwohl er circa 40 Anfragen hatte. Der menschliche Umgang sei im NLZ wichtig und sehr gut, diese Art der pädagogischen Begleitung nehme aber im Profibereich ab. Ein Trainer sei dort eben ein Trainer. Im Jugendbereich sei es wichtig, dass der Umgang und die Stimmung stimmt, um die Leistung abzurufen.
Silas bestätigt auf Nachfrage, dass er auf viel verzichten muss wie Feiern zu gehen oder Alkohol zu trinken, man müsse sehr viele Abstriche machen und beim Training Gas geben, wenn man etwas erreichen wolle. Uwe Kuhl erzählt, dass er als junger Mann immer nur zwei Stunden abends weggegangen ist. Seine guten Freunde hätten das verstanden, andere nicht. Man müsse eben auf Vieles verzichten, aber es lohne sich, man erlebe Dinge, die man eben nur so erleben könne. In seinen Augen sei es wichtig, sein Talent zu fördern, indem man auf anderes verzichtet. Es gäbe doch nichts Schöneres, als sein Hobby zum Beruf zu machen.
Auf die Frage nach der Bedeutung eines potentiellen Abstiegs für das NLZ bestätigt Uwe Kuhl, dass dies zu erheblichen finanziellen Einbußen auch im NLZ führen könnte.
Die Kulturschulgruppe dankt den Referenten für ihren Besuch und ihre Offenheit, der Fachschaft Sport, allen voran Thomas Löffler und Tobias Bock, für diesen außergewöhnlichen Lichtenbergsalon, der Schülerfirma und Monika Heinlein für die wundervolle Bewirtung und Christoph Stelzer und Thorsten Großkopf für die professionelle Vorbereitung der Technik.
Ruth Kockelmann
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